Ein in vielen Studien als wirksam erwiesenes Schreibstrategietraining ist das Vorgehen von Graham/Harris (2005)[1], das aus sechs Phasen entlang des Schreibprozesses besteht, die die Lehrkraft bei der Planung des Unterrichts leiten. Ähnlich wie bei der Genredidaktik (siehe Tool 29) wird die Textsorte des zu schreibenden Texts in den Mittelpunkt gestellt. Denn die Beherrschung der für das Fach notwendigen Textmuster ist für den Erfolg des Unterrichts entscheidend.
Schreibstrategietraining nach Graham/Harris
Strategie
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Erklärung
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Beispiel
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- Hintergrund-wissen
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Textmuster (Geschichte,
Versuchsbeschreibung…) und
Vokabular vorentlasten
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Wie ist ein Märchen aufgebaut?
Was für Wörter braucht man für
eine Personenbeschreibung?
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- Diskutieren
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Nutzen, Anwendung und
Bedeutung der neu zu
erlernenden Strategie
verdeutlichen.
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Warum muss ein Versuchsprotokoll
sehr präzise formuliert sein?
Wann brauche ich Argumente im
Alltag? Warum ist es sinnvoll,
einen Text noch einmal zu
überarbeiten?
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- Modellieren/ Demonstrieren
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Lehrkraft demonstriert die
Bearbeitung einer
Schreibaufgabe und verbalisiert
dabei alle Gedanken beim
Schreiben laut (lautes Denken).
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„Wie fängt man eine Inhaltsangabe
sinnvoll an? Ich muss im ersten
Satz… nennen. Dafür verwende
ich am besten den Mustersatz.
Also schreibe ich…“
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- Memorieren
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Lernende memorieren die
einzelnen Schritte der Prozedur
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Bringe die zerschnittenen Teile des
Merkblatts zu einer guten
Bildanalyse in die richtige
Reihenfolge.
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- Unterstützen
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Je nach individuellem Stand der
Lernenden: mehrfaches
Modellieren,
Strategiediskussion,
gemeinsames Schreiben etc.
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Hierfür bietet sich ggf. auch die
Methode des Dictogloss an (siehe
Tool 12)
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- Unabhängiges Üben
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Mehrfaches angeleitetes
Anwenden mit steigender
Verantwortung der Lernenden
und Überarbeitung der Texte.
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Schreibe mithilfe des Merkblatts
eine Quellenanalyse zu…
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Auf den ersten Blick bemerkenswert ist die 3. Phase des Modellierens/Demonstrierens, bei der die Lehrkraft die Bewältigung der Schreibaufgabe vormacht und dabei die strategischen Gedanken beim Vorgehen laut ausspricht. Dafür bedarf es natürlich entsprechender technischer und persönlicher Voraussetzungen, diese Methode wird jedoch in der Forschung als am wirksamsten bezeichnet, da sie sich darüber hinaus u.a. positiv auf das Strukturieren von Ideen, Setzen eines Schreibziels und das Zurückgreifen auf Planungsstrategien auswirkt[2]. Grund dafür ist, dass die Prozesse sichtbar gemacht werden, die sonst nur im Kopf verborgen ablaufen. Wenn die Lehrkraft sonst einen nicht anforderungskonformen Text eines Schülers oder einer Schülerin erhält, ist kaum noch herauszubekommen, an welcher Stelle der Textproduktion der Fehler gelegen hat. Durch die laute Verbalisierung und das Vormachen, das ja in anderen Feldern des Lernens vollkommen selbstverständlich ist, werden genau diese Prozesse und Strategien angebahnt.
Für diese Form der Demonstration eignen sich auch Erklärvideos sehr gut, weil sie, wenn sie einmal erstellt wurden, jederzeit und an jedem Ort aufgerufen werden (beim Anschauen zuhause auch ohne Beanspruchung von knapper Unterrichtszeit) und ggf. in kleineren Schritten abgespielt werden können. Zudem können solche Videos von Lehrkräften in Kooperation erstellt und ressourcenschonend weitergegeben werden. Als Software für die Erstellung eignen sich Bildschirmaufnahmeprogramme (Screencast), z.B. die freie und auch professionell im Internet genutzte Software OBS Studio. Aber auch Videokonferenztools und Bildschirmpräsentationsprogramme wie PowerPoint beinhalten diese Funktion der Videoaufnahme. Wer in seinem Video „analog“ die schreibende Hand im Bild haben möchte, kann natürlich auch ein Video mit dem Handy aufnehmen, das oberhalb der der schreibenden Hand positioniert wird (Tipp: Dafür empfiehlt sich ein Pfannenwender, der zwischen einen Bücherstapel geklemmt wird).
PIRSCH+
Auf der Basis des Schreibstrategietrainings von Graham/Harris haben Sturm/Weder eine für alle Fächer und Textsorten anwendbare und einfache Schrittabfolge aus der Perspektive der Schülerinnen und Schüler erstellt und PIRSCH+ (Planen – Ideen sammeln – Reihenfolge festlegen – Schreiben+Überprüfen) genannt.
Mit PIRSCH+ haben die Schreibenden ein Ablaufschema zur Hand, das sie auf nahezu jeden Text anwenden können. Wenn Schreibende diese Abfolge häufig und möglichst in verschiedenen Fächern einüben, wird sie internalisiert und die Schreibenden realisieren sie zunehmend eigenständig.
PIRSCH + (textsortenübergreifend)[3]
Ziel: Schreibziel klären, Inhalte generieren und organisieren sowie verschriften, die
die Zielerreichung überprüfen.
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- P:
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Welchen Text möchtest Du schreiben und was willst Du mit ihm erreichen?
Wie willst Du das Ziel erreichen?
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- I:
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Ideen notieren und auswählen: Sammle Ideen zu Deinem Text. Schreibe
keine ganzen Sätze, sondern nur Stichwörter auf. Wähle die Ideen so aus,
dass sie zu Deinem Ziel in P passen.
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-R:
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Reihenfolge festlegen: Lege die Reihenfolge der Ideen fest. Achte dabei auf
den Aufbau, wie er für Deinen Text typisch ist. Überlege, ob die Reihenfolge
stimmt. Ändere oder ergänze, wenn dies nötig ist.
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-SCH:
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Schreiben: Schreib die ausgewählten Ideen in der festgelegten Reihenfolge
auf. Sage dabei mehr. Baue die Stichwörter zu Sätzen aus. Manchmal lohnt
es sich, ein Stichwort in mehrere Sätze auszuformulieren.
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- +
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Prüfe, ob der Aufbau Deines Textes stimmt. Prüfe, ob Du alle ausgewählten
Ideen verwendet hast. Ergänze oder ändere Deinen Text, wenn nötig.
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Literatur:
- Schneider/Becker-Mrotzek et al (2013), Wirksamkeit von Sprachförderung
- Philipp, Maik (Hrsg.),Handbuch Schriftspracherwerb und weiterführendes Lesen und Schreiben, Weinheim 2017
- Sturm, Afra / Weder, Mirjam, Schreibkompetenz, Schreibmotivation, Schreibförderung, rundlagen und Modelle zum Schreiben als soziale Praxis, Hannover 2020
Links:
Bühler-Otten et al, Schreibkompetenzen trainieren von A1 bis B1, Unterrichtsmaterial für Deutsch als Zweitsprache in der Sekundarstufe I, LI Hamburg 2019
[1] Hier zitiert nach Schneider/Becker-Mrotzek et al (2013), S. 54
[2] Schneider/Becker-Mrotzeck et al (2013), S. 51
[3] Sturm/Weder, (2016), S. 82, basierend auf Graham et al 1992, zitiert nach: https://wiki.edu-ict.ch/_media/quims/fokusa/42_ms_pirsch_einfuehren_2014.pdf