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Tool 45: Mündliche Fehler korrigieren - Microscaffolding und Modellierung

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Bild: SenBJF

Lehrkräfte sollten gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern immer wieder die Unterschiede zwischen eher alltagssprachlichen und korrekten bildungssprachlichen Formulierungen reflektieren und Verbesserungsvorschläge erarbeiten. Dies bezieht sich neben grammatischen oder semantischen Aspekten auch auf solche der standardsprachlichen Artikulation (z.B. ch/sch), die u.a. im Hinblick auf eine korrekte Verschriftlichung bedeutsam ist.

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Tool 45, Fortsetzung

Im Rahmen eines sprachintensiven Unterrichts kann die Lehrkraft zusätzlich die Grundsätze des Mikroscaffoldings im Rahmen der Unterrichtsinteraktion nach Gibbons (s.o.)[1] nutzen. Damit ist gemeint, dass im alltäglichen Unterrichtsgespräch die sprachlichen Mittel, die den Lernenden fehlen, von der Lehrkraft geschickt ergänzt, bereitgestellt, von Mitschülerinnen und Mitschülern eingefordert oder selbst vorbildhaft eingesetzt werden. Dies folgt Beobachtungen, die im Rahmen von Spracherwerbsforschungen über die elterliche Begleitung des kindlichen Erstspracherwerbs gemacht worden sind. Wenn z.B. ein Elternteil mit einem Kind ein Buch ansieht, ergänzt er/sie intuitiv die Äußerungen des Kindes zu Sätzen, formuliert um, stellt Nachfragen, erweitert die Aussagen oder liefert Wörter, die dem Kind fehlen.

Ein anderer großer Bereich ist der Umgang mit Fehlern oder nicht angemessenen Äußerungen. Diese kann die Lehrkraft explizit thematisieren, wenn Sie die zugrundeliegende Regel vor Augen führen bzw. wiederholen will. Allerdings unterbricht dies den inhaltlichen Fluss des Unterrichtsprozesses und stellt je nach Existenz einer ressourcenorientierten Fehlerkultur im Klassenraum den Schüler bzw. die Schülerin bloß. Um das zu vermeiden, eignet sich die implizite Korrektur. Dabei kann die sogenannte Modellierung der Schüleräußerung  auf unterschiedliche Arten erfolgen. Von korrigierendem Eingreifen über Thematisierung auf der Metaebene bis hin zu verschiedenen Formen der dialogischen Weiterführung und Bestätigung bestehen im Rahmen eines natürlichen Dialogs verschiedenste Möglichkeiten, die alle das Ziel verfolgen, dass die Schülerin oder der Schüler ihre/seine Äußerung mit dem Modell abgleichen, die Zielstruktur erproben, stabilisieren und ggf. korrigieren kann, ohne bloßgestellt zu werden. Neben dem korrektiven Feedback ergeben sich hier u.a. folgende Alternativen[1]:

 

Technik

Erläuterung

Beispiel

Umformung

Direkte Aufnahme der Äußerung mit korrigierender Variation der syntaktischen Struktur.

S: Dann der Mann hat den Hund mitgenommen.

L: Dann hat der Mann den Hund mitgenommen.

Einfache Wiederholung

Eine korrekte Äußerung wird durch Wiederholung positiv verstärkt (ggf. mit metasprachlichem Kommentar).

S: Dann hat der Mann den Hund mitgenommen.

L: (Genau), dann hat der Mann den Hund mitgenommen.

Alternativfrage

Eine fehlerhafte Äußerung wird in einer Frage mit der sprachlich korrekten Form kontrastiert:

S: Ich möchte den Buch.

L: Den Buch oder das Buch?

Aufforderung zur Selbstkorrektur

Nachfrage

L: wie bitte? Was meinst Du? Kannst Du das noch einmal sagen?

Expansion

Sinnerweiterung einer korrekten Äußerung durch Hinzufügung, Aufgreifen der Zielstruktur, aber erweitert

S: auch Bruder haben und gespielt.

L: Du möchtest sagen: Ich habe auch einen Bruder. Ich habe mit meinem Bruder gespielt. Stimmt das so?

Extension

Fortführung der Äußerung unter Verwendung von Kohärenzmitteln

S: Dann ist der Mann in den Zug gestiegen.

L: Genau, er will nach Erfurt fahren.

 

Dabei ergeben sich Problemstellungen, die in der Fremdsprachendidaktik im Zusammenhang mit mündlicher Fehlerkorrektur ausführlich thematisiert werden. Denn natürlich ist die Fokussierung auf die sprachliche Form von Äußerungen nur in bestimmter Weise und in bestimmten Unterrichtssituationen sinnvoll, damit die Inhalte nicht ins Hintertreffen gelangen oder die Sprechbereitschaft der Schülerinnen und Schüler nicht geschmälert oder Lernende nicht bloßgestellt werden. Weiterhin ist eine Fehlerkultur vonnöten, in denen Fehler und deren Benennung nicht stigmatisierend, sondern als Lernchance verstanden werden. Nur in einer solchen Atmosphäre eignen sich Verfahren der Fremdkorrektur durch Mitschülerinnen oder Mitschüler. Dafür ist sowohl auf Lehrkraft- als auch auf Schülerseite language awareness (vgl. Tool 44 - Language awareness trainieren) zu trainieren, um fehlerhafte Äußerungen bzw. Registerverstöße überhaupt als solche wahrnehmen zu können.

Insbesondere bei Auffälligkeiten von allgemeiner Bedeutung, die sich als falsche Struktur zu verfestigen drohen, kann die Reflexion von der Lehrkraft aber auch zeitversetzt realisiert werden, z.B. in Form einer Sammlung von Beispielen zu einem erkannten Fehlerschwerpunkt (auf einem Arbeitsblatt, an der Tafel, Folie…). Eine solche Reflexion kann sowohl den Abschluss einer Unterrichtseinheit als auch einen Einstieg in eine vertiefende Wiederholung bilden.

Um bestimmte Verabredungen der Schulgemeinschaft im Hinblick auf die bildungssprachliche Korrektheit mündlicher Äußerungen zu fokussieren und permanent eine Erinnerung an Bildungssprache vor Augen zu haben, bietet sich auch der Einsatz von Plakaten im Klassenzimmer an, auf die sich die Lehrkräfte (und die Lernenden) während des Unterrichtsgeschehens berufen können.

 

Literatur:

  • Niebuhr-Siebert, Sandra/Baake, Heike, Kinder mit Deutsch als Zweitsprache in der Grundschule, Stuttgart 2014, S.225 f.
  • mit Grundlagenteil: Kurtz, Michaela/ Mahlau, Kathrin, Einsatz von Modellierungen im sprachheilpädagogischen und inklusiven Unterricht, in: Forschung Sprache 1/22, hier online  

 

Links:

 


[1] Siegmund/Kauschke 2006, hier zitiert nach Niebuhr-Siebert/Baake (2014), S. 227