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Tool 42: Argumentierend sprechen und diskutieren zu relevanten Themen

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Bild: SenBJF

Gespräche und Diskussionen zu für die Schülerinnen und Schüler bedeutsamen Themen stellen besonders (aber nicht nur) in den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern eine wichtige Form des sozialen Lernens und auch der Sprachbildung dar: Kinder und Jugendliche lernen sowohl eigene Standpunkte zu entwickeln und zu vertreten als auch in Gesprächen auf andere einzugehen, fremde Perspektiven zu übernehmen und ggf. zu einem Konsens oder zu gemeinsam getragenen Entscheidungen zu gelangen. Sprachbildung, Persönlichkeitsbildung und Demokratiebildung sind damit aufs Engste miteinander verknüpft.

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Tool 42, Fortsetzung

 

Klassenrat

 

Eine schülerorientierte Methode der Kommunikationsförderung stellt die regelmäßige Durchführung eines Klassenrats dar, um aktuelle Vorkommnisse und Probleme einer Klasse zu besprechen und gemeinsame Entscheidungen, z.B. im Rahmen der Vorbereitung einer Klassenfahrt, zu treffen.  Diese Sitzungen werden von Schülerinnen und Schülern nach einer Einführungsphase selbst moderiert und verlaufen nach festgelegten Regeln[1]. Die Methode selbst stammt aus der Freinet-Pädagogik und hat sich mittlerweile über rund 100 Jahre bewährt. In Berlin führt die Deutsche Gesellschaft für Demokratiepädagogik Peer-Trainings zum Klassenrat durch und stellt auch Informationsmaterial zur Verfügung.[2]

 

Über den Klassenrat hinaus kann jedes Fach durch didaktische Settings dazu beitragen, eine Gesprächs- und Diskussionskultur zu etablieren; dazu im Folgenden eine kleine Auswahl an möglichen Methoden zur Anregung.

 

Diskussions- und Debattenformate

 

Methode

Arbeitsauftrag/Erläuterung

Didaktischer Kommentar

Vier-Ecken-Methode[3]

In den vier Ecken des Raums hängen auf Blättern zu unserem aktuellen Thema vier Thesen/Aussagen. Gehe in die Ecke, deren Aussage Du am ehesten zustimmst. Diskutiert dort über Eure These/Aussage und sammelt Argumente für eine anschließende Diskussion in der Klasse.

Die Methode dient der Meinungsfindung. Die Aussagen sollten konträr und provokativ sein, um die Auseinandersetzung anzuregen. Die Auswertung kann per Fishbowl oder Podiumsdiskussion (s.u.) erfolgen.

Pro-Kontra-Debatte[4]

Diskutiert folgende Frage:

Sollte Berlins Innenstadt für den Autoverkehr gesperrt werden?


Bildet dazu zwei Gruppen (pro/kontra).


Sucht gemeinsam Argumente und sprecht ab, wer in der Debatte welchen Aspekt übernimmt.


Legt fest, wer aus der Gruppe ein Eingangsstatement hält und wer ein Schlusswort spricht.

 

Zwei Schülerinnen oder Schüler übernehmen die Diskussionsleitung (Rednerliste führen, Wort erteilen...).

 

Zur Vorbereitung einer Debatte sollten die Schülerinnen und Schüler auch die Argumente der Gegenseite antizipieren, um sie widerlegen zu können.

 

Wichtig ist auch, klare Gesprächsregeln zu vereinbaren:

  • Rednerliste
  • Keine Zwischenrufe
  • Begrenzte Redezeit
  • Beim Thema bleiben
  • Fair miteinander umgehen

Thesentopf[5]

Vorbereitung wie bei der Pro-Kontra-Debatte, jedoch ziehen alle Beteiligten vorbereitete Thesen aus dem Thesentopf und verwenden diese bei ihrer Argumentation.

 

Zusätzlich zu den Thesen kann die Lehrkraft ein Arbeitsblatt mit sprachlichen Hilfen zur Argumentation vorbereiten

 

Durch die Thesen wird die inhaltliche Vorbereitung auf die Debatte abgekürzt und es wird sichergestellt, dass bestimmte Aspekte berücksichtigt werden

 

Der Thesentopf kann auch zur Arbeit im Tandem und in Kleingruppen genutzt werden.

Argumentations-wettbewerb[6]

1. Du erhältst ein Argumentationsthema. Bereite Dich alleine darauf vor, Deinen Standpunkt zu der Frage möglichst überzeugend zu vertreten.

2. Stelle Deine Argumentation vor der Klasse vor. Die Klasse als Jury wird unter den vier Personen mit dem gleichen Thema einen Gewinner bestimmen.

Ähnlich wie bei „Jugend debattiert“, allerdings treten hier  4-5 Personen immer direkt in nur einer Runde gegeneinander an. Dadurch können alle Schülerinnen und Schüler sowohl Jury sein als auch einmal selbst sprechen. Durch den Wettbewerbscharakter erhalten die Merkmale guter Argumentation einen besonderen Stellenwert.

Meinungsmarkt[7]

Überlege Dir Deinen Standpunkt zur Frage, ob…

Anschließend wirst Du diese Meinung im Gesprächskreis darstellen und begründen, ohne dass die anderen Kommentare dazu abgeben dürfen.

Klippert empfiehlt die Installierung mehrerer Protokollanten bzw. Protokollantinnen, um die anschließende weitere Diskussion über der Thema zu strukturieren.

 

Alternative: Die Schülerinnen und Schüler erhalten geheime Rollenkarten für Figuren, aus deren Sicht sie argumentieren sollen.

Begründungsspiel[8]

Formuliere Deinen Standpunkt zur Frage, ob... Überlege Dir auch eine dazu passende Begründung.

Anschließend wird eine Person im Kreis ihre These und eine Begründung vorstellen. Die nächste Person muss die genannte Argumentation wiederholen und ergänzen.

Im Rahmen von Argumentationen ist vor allem die sprachliche Verknüpfung von These, Begründungen und ggf. weiteren Erläuterungen oder Beispielen eine große Herausforderung. Diese Methode übt genau diese gezielt.

Argumentations-karussell[9]

1. Notiere Dir stichpunktartig Deinen Standpunkt, Argumente dafür und Erläuterungen zu der Frage, ob…

2. Bildet Gruppen mit 5-6 Personen.

3. Stellt Euch reihum frei sprechend Eure jeweiligen Argumentationen vor.

4. Du hast nun ein Minute Zeit, vor der Klasse Deine Argumentation vorzustellen.

Klippert sieht bei diesem Methodenvorschlag einen themengleichen Argumentationsimpuls vor. Er kann aber auch durch Aspekte der „Argumentationsstationen“[10] ergänzt bzw. ersetzt werden.

Fishbowl

Vorbereitung wie bei der Pro-Kontra-Debatte, jedoch findet die Diskussion nicht im Plenum statt, sondern

 

  • eine kleine Gruppe diskutiert in einem Innenkreis,
  • alle anderen Teilnehmenden sitzen im Außenkreis,
  • es gibt einen freien Gaststuhl, auf den Personen aus dem Außenkreis wechseln können.
     

Die Arbeitsanweisung muss also ergänzt werden:

  • wählt 4 Schülerinnen oder Schüler aus, die eure Position im FishBowl vertreten.

Da die Diskussionsgruppe kleiner ist als bei einer Pro-Kontra-Debatte, ist das Gespräch oft fokussierter.

 

Gleichzeitig bietet der Gaststuhl auch den Personen aus dem Außenkreis die Möglichkeit der aktiven Teilnahme.

Anschließend geht es in der Auswertung nicht nur um die Inhalte der Diskussion, sondern auch die Beobachtungen der Personen im Außenkreis und die ggf. daraus abzuleitenden Konsequenzen[11].

Podiumsdiskussion[12]

Vorbereitung und Durchführung ähnlich wie beim Fishbowl. Allerdings sind in einer Podiumsdiskussion Fachleute vertreten; die Pro- und Kontra-Gruppen müssen also zusätzlich noch Rollenbiografien entwerfen.

 

Auch in der Durchführung gibt es einen Unterschied: Das Podium sitzt vor den Zuschauerinnen und Zuschauern; einen Gaststuhl gibt es nicht, dafür aber eine Fragerunde am Schluss.

 

Wie beim Fishbowl ist die Diskussion durch die verkleinerte Gruppe oft fokussierter.

 

Allerdings kann das Publikum nicht intervenieren; wichtig ist, dass sich die Schülerinnen und Schüler schon während der Diskussion Fragen für die Abschlussrunde notieren

Amerikanische Debatte

Vorbereitung:

Ihr seid einer Gruppe zugeteilt (pro/kontra). Sammelt in Eurer Gruppe möglichst viele Argumente zur Frage, ob…

 

In der ersten Runde nennen alle Personen aus der Pro- und der Kontra-Gruppe jeweils ein Argument, ohne aufeinander einzugehen.

In der zweiten Runde stellt sich jede Person der Pro-Seite seinem inhaltlichen Gegenpart gegenüber. Dann werden abwechselnd die Argumente vorgetragen, wobei immer auf das Argument der Gegengruppe eingegangen werden muss.[13]

 

Zu dieser Methode gibt es unterschiedliche Realisierungsformen.

 

Je nach Gruppengröße und Zahl der Argumente können auch von den beiden Gruppen jeweils 3/5/7 Argumente ausgewählt werden.

Diese können zudem von den Gruppen auch schon nach Gewichtung sortiert werden, sodass sich wie in einer Erörterung im Deutschunterricht die jeweiligen Argumente gegenüberstehen.

 

Eine Jury, die sich vorher Beobachtungskriterien überlegt hat, gibt anschließend ein Feedback und thematisiert dabei besonders, ob die Personen sich zugehört haben und aufeinander eingegangen sind.

Jugend debattiert

Debattiert über folgendes Thema:

Sollte Berlins Innenstadt für den Autoverkehr gesperrt werden?

 

Bildet Gruppen zu viert; zwei von euch übernehmen die Pro-Position, zwei die Kontra-Position.

 

Bereitet euch einzeln vor. Die Debatte verläuft in drei Runden:

  1. Alle halten ein Eingangsstatement.
  2. Freie Aussprache (12 Minuten)
  3. Alle halten ein Schlusswort.

 

„Jugend debattiert“ ist ein deutschlandweiter Wettbewerb, an dem Schülerinnen und Schüler aus Projektschulen teilnehmen. Sie müssen sich in verschiedenen Runden bewähren (Schule, Region, Land, Bund), im Bundesfinale werden dann die Siegerinnen und Sieger ausgezeichnet[14].

 

In den teilnehmenden Schulen bilden sich die Lehrkräfte fort und integrieren Debatten in der beschriebenen Form in den Unterricht.

 

Literatur:

  • Klippert, Heinz, Kommunikationstraining, Weinheim/Basel 2018
  • Leisen, Josef, Handbuch Sprachförderung im Fach, Stuttgart 2019 
  • Müller, Harald, Mit Schülerinnen und Schülern im Dialog, Donauwörth 2006

 

Links:

 


[1]Siehe dazu:  https://www.bpb.de/lernen/projekte/vorbild/153510/vorueberlegungen-und-vorbereitung

[2] Siehe dazu: https://www.degede.de/project/klassenrat-wir-sind-klasse/

[3] Müller, Harald, Mit Schülerinnen und Schülern im Dialog, Donauwörth 2006, S. 112

[4] Müller, Harald, Mit Schülerinnen und Schülern im Dialog, Donauwörth 2006, S. 109; Klippert, Heinz, Kommunikationstraining, Weinheim/Basel 2018

[5] Leisen, Josef, Handbuch Sprachförderung im Fach, Stuttgart 2019, S. 52

[6] ebd., S. 175

[7] ebd, S. 112

[8] ebd. S. 148

[9] ebd. S.174

[10] Ebd., S. 173

[11] Vgl. Klippert, Heinz, Kommunikationstraining, S. 152

[12] u.a. Müller, Harald, Mit Schülerinnen und Schülern im Dialog, Donauwörth 2006, S. 123

[13] Weitere Hinweise in der Broschüre der Stiftung Lesen „Klasse(n) lesen!“, November 2010

[14] Siehe dazu: Frank Hielscher, Ansgar Kemmann, Tim Wagner „Debattieren unterrichten“ Seelze 2017; Tim Wagner, Ansgar Kemmann „Debattieren lernen“ Seelze 2015; ebenso:  https://www.jugend-debattiert.de


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