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Tool 24: Grundsätzlich: Gute Schreibaufgaben formulieren – Erfolgreiche Schreibförderung in sieben Adjektiven

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Bild: SenBJF

Schreiben kann man lernen. Dafür hilft es bei der Erstellung von Schreibaufgaben, wesentliche Grundprinzipien zu beachten. Unter anderem in einer Metastudie des Mercator-Instituts über empirisch nachweisbare Formen der Schreibförderung wurden nämlich mehrere nachweislich wirksame Erfolgsfaktoren gelingender Schreibförderung identifiziert[1]:

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Fortsetzung Schreiben24

oft

Schreiben lernt man nur durch (häufiges) Schreiben. Wie beim Lesen bauen die sehr anspruchsvollen hierarchiehohen Prozesse (Texte planen, realisieren…) auch beim Schreiben auf hierarchieniedrigen Kompetenzen auf.

Je höher nämlich die Schreibflüssigkeit – die Fähigkeit, einen Text möglichst schnell und fehlerfrei zu realisieren – desto mehr Kapazitäten sind frei für die genannten anspruchsvolleren Prozesse. Ähnlich wie beim Lesen wird nämlich durch automatisierte Basisfertigkeiten der „Arbeitsspeicher“ so entlastet, dass die Schreibenden sich auf die Planung, Formulierung und Überarbeitung konzentrieren können[2], wenn sie nicht mehr über die Schreibung der Wörter nachdenken müssen (Mehr dazu findet sich in Tool 25 – Schreibflüssigkeit trainieren). In den USA ist aus diesen Gründen eine gezielte Förderung der Schreibkompetenz im Unterricht aller Fächer als „Writing across the curriculum“ schon seit Jahren fest etabliert[3].

Deshalb braucht Schreiben auch besonders viel Zeit und Training, wodurch es bei Lehrkräften nicht unbedingt beliebter wird, wo doch die vorhandene Zeit für ein Thema im Unterricht oftmals begrenzt ist. Allerdings sind Lernprozesse mit integrierten Schreibsituationen nachweislich lernwirksamer. Gerade deshalb ist es wichtig, dass die Lehrkraft in ihrem Unterricht möglichst viele Schreibanlässe schafft (siehe auch Tool 26- Schreibanlässe und Schreibroutinen schaffen).

 

bewusst

Schreiben ist besonders sinnvoll und bei allen Beteiligten eher akzeptiert, wenn klar ist, mit welchem Ziel die Schülerinnen und Schüler im Unterricht in welcher Form schreiben. Eine anregende Übersicht über unterschiedliche Funktionen des Schreibens und ihren didaktischen Wert findet sich in Tool 26.

Zudem sind, so Erkenntnisse der empirischen Schreibforschung, explizite Vermittlung von Schreibstrategien und von Textsorten ein weiterer großer Erfolgsfaktor. Besonders schreibschwache Schülerinnen und Schüler vermeiden nicht nur das Schreiben an sich, sondern auch die bewusste Anwendung von Strategien – umso wichtiger, dass sie bewusst vermittelt werden. Dies wird ausführlich in den Tools 28 und Tool 29 anhand zweier anerkannter und im Fall von Tool 28 als wirksam nachgewiesener Verfahren anschaulich dargestellt.

 

situiert

Gerade von schreibschwachen Schülerinnen und Schülern wird schreiben oft vermieden – je mehr negative Erfahrungen sie im Laufe ihrer Schreibbiografie machen mussten, umso stärker werden Widerstand und Ängste. Umso wichtiger ist es, dieses negative Spirale durch motivierende Schreibanlässe zu unterbrechen.

Dabei hilft die weitere Erkenntnis der Schreibforschung, dass die Situierung von Schreibanlässen und die daraus folgende Motivation entscheidende Erfolgsfaktoren sind. Situierung bedeutet, dass die Lehrkraft eine reale oder ggf. fiktive Situation schafft, in die die Schreibhandlung eingebettet ist (einen Leserbrief zu einem politischen Text schreiben, Forschungsbericht zu einem Experiment, Protestschreiben benachteiligter Volksgruppen an einen Monarchen…). Es geht also um eine Form des Storytellings, das nicht nur für jüngere Schülerinnen und Schüler geeignet ist (selbst in Abituraufgaben werden situierte Aufgaben geschaffen).

Auch wenn diese Situierung natürlich sehr fachgebunden sind, weshalb hier keine ausführlichen Tabellen mit Beispielen gegeben werden können, finden sich zahlreiche Anregungen in den Tools zu lesebegleitenden Aufgaben – Tool 10 (Texte didaktisieren III: mit Texten weiterarbeiten) und Tool 11 (Differenzierte und motivierende Aufgaben: Leseszenarium). 

 

problemorientiert

Mit der Situierung eng verbunden ist, dass die Schreibsituation von den Schülerinnen und Schülern als sinnvoll empfunden wird, weil sie dazu geeignet ist, die Lösung einer zentralen problemorientierten Unterrichtsfrage herbeizuführen oder diese zumindest zu dokumentieren oder zu kommunizieren.

Problemorientierung wurde auch in der Berliner Schulinspektion als ein zentraler Faktor für erfolgreichen sprachbildenden Unterricht identifiziert, weil durch die Arbeit an einem fachlichen Problem die Lernenden aktiviert und zur fachlichen Sprachproduktion angeregt werden. 

Eine solche problemorientierte (und im besten Fall auch situierte) Schreibsituation wird zudem von den Schülerinnen und Schülern als authentisch empfunden und ist deshalb besser wirksam.

 

prozessorientiert

Oftmals wird in der Schreibdidaktik das Produkt besonders hervorgehoben. Und eine Produktorientierung macht den vorangegangenen Schreibprozess natürlich unzweifelhaft besser. Allerdings kann aus einem nicht erwartungsgemäßen Produkt oft nicht mehr erschlossen werden, an welcher Stelle des Schreibprozesses Fehler gemacht wurden, da man dem Ergebnis die im Kopf ablaufenden Schreibprozesse meist nicht ansieht.

Denn wie bereits dargestellt ist Schreiben ein hochkomplexer Prozess aus vielen einzelnen Teilprozessen. Diese bewusst zu machen ist nicht nur ein zentraler Bestandteil von Schreibstrategietrainings, sondern sollte auch beim Verfassen von komplexeren Texten aller Art im Unterricht immer im Vorgehen und den Arbeitsaufträgen berücksichtigt werden. Dies geschieht, indem die einzelnen Schreibphasen bewusst in verschiedene Schritte aufgeteilt und auch einzeln trainiert werden. Vorschläge für die einzelnen Arbeitsphasen finden sich in Tool 27

 

bedeutsam

Die Ergebnisse der Schreibsituation sollten von den Schreibenden als bedeutsam erfahren werden, sei es für den persönlichen Erkenntnisgewinn oder, weil die Texte am Ende in irgendeiner Form weitergenutzt (zum Beispiel zum Lernen für Leistungskontrollen) oder veröffentlicht werden (z.B. auf der Schulhomepage).

Wenn die Texte fachlich bzw. für den Gang des Unterrichts bedeutsam sind, sollte dies von Beginn an auch so von der Lehrkraft kommuniziert werden, sodass die Lernenden bereits zu Beginn der jeweiligen Unterrichtseinheit wissen, wozu sie arbeiten bzw. schreiben sollen oder warum am Ende des Arbeitsprozesses ein Schreibprodukt steht.

Die andere Form der Bedeutsamkeit ist die persönliche. Die ist bei fachlichen Themen besonders dann der Fall, wenn ein Lebensweltbezug hergestellt wird – dies ist auch aus wortschatzdidaktischen und motivationalen Gründen sprachbildend relevant. Texte sind zudem besonders dann herausragend bedeutsam, wenn sie ausschließlich der persönlichen Reflexion dienen oder die Themen von den Schreibenden selbst gewählt werden können. Solche Formen persönlich besonders bedeutsamen Schreibens werden in Tool 32, Tool 33 und Tool 34 vorgestellt.

 

kommentiert

Schreiben erfolgt nicht im luftleeren Raum, sondern ist eine Form der Kommunikation. Schließlich wird immer für potentiell Lesende oder ein Publikum geschrieben. Deshalb und natürlich im Hinblick auf Verbesserungsmöglichkeiten spielt für die Schreibenden auch das Feedback auf Ihr Schreiben eine wichtige Rolle. Dies erfolgt in der Schule natürlich in besonderer Form durch die Lehrkraft, deren Feedback einerseits besonders kompetent ist, andererseits aber fast immer in einem (potenziellen) Bewertungsrahmen stattfindet. Zudem erfolgt das Feedback durch die Lehrkraft oft mit großer Zeitverzögerung.

Ein möglichst unmittelbares Feedback ist aber beim Schreiben besonders lernwirksam. Deshalb besitzen in der Schule die Mitschüler*innen eine besondere Bedeutung. Dies kann didaktisch auf vielfältige Weise nutzbar gemacht werden: Einerseits durch gemeinsame Textüberarbeitung mithilfe von Schreibkonferenzen, Textlupen oder Checklisten (siehe Tool 27 – Schreibprozesse mit Aufgaben steuern), andererseits aber auch schon beim Schreiben selbst durch kooperative Schreibformen, die beim analogen gemeinsamen Schreiben von Texten beginnen und beim digitalen, kollaborativen Schreiben (zum Beispiel mit Etherpads) noch lange nicht aufhören.

Sowohl beim Kommentieren der Texte anderer als auch bei der ggf. gemeinsamen Textproduktion erfolgt eine permanente Reflexion über den Schreibprozess und die Schreibenden haben die Gelegenheit, auf der Metaebene voneinander Schreibstrategien zu lernen und auszudifferenzieren. Besonders geeignet dafür sind Settings aus dem Bereich der

kooperativen Lernformen (siehe Tool 37 – Miteinander Sprechen I – kooperative Lernformen).

 

 


[1] Schneider/Becker-Mrotzek et al (2013), Wirksamkeit von Sprachförderung, S. 33f,

Philipp, Maik, Handbuch Schriftspracherwerb und weiterführendes Lesen und Schreiben, Weinheim Basel 2017

[2] Schneider/Becker-Mrotzek et al 2013, S. 33f

[3] Siehe dazu: https://wac.colostate.edu/repository/resources/teaching/intro/