Didaktisieren von Texten bringt allen Beteiligten also einen dreifachen Mehrwert: besseres Textverständnis, sichere Lesestrategien, gesteigerte Unterrichtsqualität.
„Beim Didaktisieren von Hör- und Lesetexten geht es keinesfalls darum, die Schülerinnen und Schüler mit vielen Aufträgen zu beschäftigen. Das Ziel ist es, so viele Aufträge wie nötig zu formulieren, damit die gesetzten Hör- und Leseziele erreicht werden. Die Aufträge sollen effiziente Vorgehensweisen bewusst machen. Das didaktische Ziel ist dabei immer zweifach: den Textinhalt selbstständig verstehen und gleichzeitig Verstehensstrategien und Routinen aufbauen.“[1]
Eine vertiefte Einführung in die Grundsätze der Didaktisierung sowie ein sofort anwendbares Planungsraster mit Aufgabenvorschlägen zur Vereinfachung der eigenen Unterrichtsplanung gibt Neugebauer[2].
In einer Vorbereitungsphase vor dem Lesen geht es darum, sich dem Thema anzunähern, das Thema in einen Zusammenhang einzuordnen (Situierung), Wortschatz und Vorwissen zu aktivieren oder sich anzueignen, Ideen zum Thema zu sammeln und ggf. eine eigene Fragestellung zu entwickeln. Diese Phase dient der Vorentlastung des Textes, der inhaltlichen Aktivierung sowie dem Aufbau einer Erwartungshaltung und trägt wesentlich zu einer gelingenden Textrezeption bei.
Denn auch im Alltag beschäftigt man sich eher selten mit Texten, deren Themen einem nicht schon in einem gewissen Maß vertraut oder zumindest von Interesse sind. Aus diesem Grund kann die oft übliche Praxis, Texte als Einstieg in ein Thema zu wählen, unter Umständen wenig erfolgreich sein. Hier empfiehlt es sich, sich vor der Auseinandersetzung mit Texten dem Thema auf andere Weise zu nähern.
Mögliche Aktivitäten sind:
- Sich dem Thema zunächst alltagsprachlich und handlungsorientiert nähern
- Wortschatz zum Thema, z.B. anhand von Bildmaterial, einführen und im Tandem üben
- Wortschatz und Vorwissen der Schülerinnen und Schüler aktivieren
Diese könnten folgendermaßen ausgestaltet werden:
Methode
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Möglicher Arbeitsauftrag
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Didaktische Hinweise
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Vorwissen
aktivieren,
Wortschatz
bereitstellen
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Sammelt aus Lexika / im Internet
Informationen zum Thema…
Führt eine Experiment / Befragung
/ein Rollenspiel zum Thema…
durch.
Erstellt ein Cluster / eine Mind Map
mit Assoziationen zum Thema…
Sprich mit Deinem Partner, was Ihr
schon über das Thema wisst.
Schreib zu jedem Buchstaben ein
Wort auf, das mit diesem
Buchstaben anfängt und etwas mit
dem Thema… zu tutn hat.
A
B
C
D
E
…
Beschreibt die gegebenen Bilder /
Grafiken. Nutze dabei folgende
Formulierungen….
Hört bei der folgenden
Fantasiereise aufmerksam zu.
Recherchiert folgende Begriffe und
tragt sie in Euer Glossar ein.
Spielt das Kreuzworträtsel/
Memory.. mit dem Thema „…“
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Brainstorming-Methode "Kopfstand"
oder "assoziativ einsteigen" aus dem
Methodenpool des Mercator-Insituts
Weitere Hinweise zu dieser Methode
hier im Methodenpool des Mercator-
Instituts.
Für Text/Thema relevante sprachliche
Mittel können so eingeführt werden.
Zur Aktivierung innerer
Vorstellungsbilder - ausführliche
Hinweise im Methodenpool des
Mercator-Institus
Im Text auftauchende wichtige
Begriffe werden auf diese Weise
vorentlastet.
Spielerische Form der Vorentlastung
des Wortschatzes.
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Leseerwar-
tungen
aufbauen und
Hypothesen
entwickeln
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Lies die Überschrift. Wovon könnte
der Text handeln? Stelle
Vermutungen an.
Stelle drei/fünf Fragen zum Thema.
Verfasse anhand der Überschrift /
gegebenen Bilder / Grafiken einen
eigenen Text.
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Können als Cluster an der Tafel
gesammelt werden
Eignet sich für Partnerarbeit
Vor allem für literarische Texte
geeignet
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Sich im Text
orientieren
und
Orientierung
geben
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Überfliege den Text und achte auf
Bilder, Zwischenüberschriften.
Stelle Vermutungen an, wovon der
Text handelt.
Der folgende Text ist eine
Rezension/ ein Lexikonartikel. Was
weißt Du schon über diese
Textform? Notiere.
Lies Deinem Partner den
vorbereitenden Einführungstext vor.
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Dieses sogenannte „Skimming“ sollte
mindestens einmal durch die
Lehrkraft modelliert, das heißt z.B.
durch „lautes Denken“ (siehe Tool 28) demonstriert werden. Dabei
werden alle Gedanken und Strategien
laut verbalisiert.
Wenn die Lesenden dasselbe
Textmuster aktivieren wie der Autor
bzw. die Autorin des Texts, sparen sie
kognitive Ressourcen und sind auf
die Textstruktur vorbereitet.
Ein solcher Advance Organizer (s.u.)
ist ein kurzer, von der Lehrkraft
erstellter Text (auch von der Lehrkraft
gesprochen möglich), der den Inhalt
und die Struktur des eigentlichen
Textes sehr kurz wiedergibt und so
das Verständnis des folgenden
Gesamttexts vorbereitet.
Beispiel: „Der folgende Text handelt
von… Er besteht aus … Abschnitten.
Hauptsächlich geht es um die
Frage,…“
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Lektüre erleichtern durch Textzusammenfassungen / Advance organizer
Bei sehr anspruchsvollen Texten oder bei sehr leseschwachen Schülerinnen und Schülern bzw. bei solchen am Übergang von Willkommens- in die Regelklassen empfehlen Neugebauer/Nodari[3] als vorgeschaltete Form der Didaktisierung die Verwendung einer vereinfachten Textzusammenfassung, die auch Advance organizer genannt wird. Dafür gibt die Lehrkraft die wesentlichsten Inhalte des Textes in sehr einfachen Sätzen wieder, welche vor der eigentlichen Textlektüre als Vorbereitung eingesetzt werden. Diese nur leicht überfordernden Texte vermitteln den Schülerinnen und Schülern bereits die Kerninhalte. Dadurch wird die anschließende Lektüre des originalen Textes deutlich effektiver als das ausschließliche, zeitaufwändige Durcharbeiten stark überfordernder Texte, bei dem die Schülerinnen und Schüler deutlich weniger lernen.[4] Die vorherige Kenntnis der zentralen Inhalte ist hier keinesfalls eine entmündigende Vorwegnahme der eigentlichen Textarbeit, sondern ermöglicht diese überhaupt erst.
Einen Advance Organizer vorbereiten
- Text lesen und Schwierigkeitsgrad einschätzen (siehe Tool 5 und Tool 6)
- Zentrale Informationen bzw. Schlüsselwörter markieren oder notieren
- altersgerechte Bedeutungen der zentralen Begriffe notieren
- Abbildungen oder Graphiken zur Veranschaulichung zentraler Inhalte suchen
Einen Advance Organizer schreiben:
- Zu Beginn die Textsorte und ggf. Textstruktur darstellen (Beispiel: Der Zeitungsartikel besteht aus drei Abschnitten und behandelt vor allem…)
- Bei unbekannten Textsorten: Textsorte kurz erklären
- Text formulieren unter Beachtung der Kriterien der Textverständlichkeit (siehe Tool 5)
- Für das Fach notwendige Schlüsselwörter mit Erklärungen versehen; ggf. Lernwörter angeben
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Literatur:
- Neugebauer, Claudia /Nodari, Claudio, Förderung der Schulsprache in allen Fächern, Bern 2012
- Rosebrock, Cornelia, Nix, Daniel, Grundlagen der Lesedidaktik, Baltmannsweiler, 2020
- Leisen, Josef, Handbuch Lesen im Fachunterricht: Sachtexte sprachsensibel bearbeiten. Verstehendes Lesen vermitteln, Stuttgart 2020
- Lenhard, Wolfgang, Gol, Andreas, Leseverständnis und Lesekompetenz: Grundlagen - Diagnostik - Förderung (Lehren und Lernen), Seelze, 2020
- Philipp, Maik (Hrsg.),Handbuch Schriftspracherwerb und weiterführendes Lesen und Schreiben, Weinheim 2017
Links:
[1] Neugebauer/Nodari (2012), S. 47
[2] Neugebauer, Claudia (2009), Didaktisierte Lesetexte – was ist das?
[3] Neugebauer/Nodari (2012), S. 51
[4] Vgl. Rosebrock et al (2011), Leseflüssigkeit fördern, S. 63