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Tool 44: Language awareness trainieren

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Bild: SenBJF

Da die Schule in manchen Fällen der einzige Kontakt der Schülerinnen und Schüler zur eher konzeptionell schriftsprachlich geprägten Bildungssprache ist, kommt der Bereitschaft aller Lehrkräfte, im Unterricht bewusst von der Alltags- zur Bildungssprache hinzuführen, eine entscheidende Bedeutung zu.

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Tool 44, Fortsetzung

Konkret bedeutet das, dass die verschiedenen Register, ihre Unterschiede und die korrekte Anwendung im Unterricht immer wieder thematisiert und reflektiert werden. Die Lehrkraft begleitet sowohl eigene als auch Aussagen von Schülerinnen und Schülern und modelliert diese (siehe Tool 45 - Mündliche Fehler korrigieren - Microscaffolding und Modellierung). Derartige Prozesse könnten auch institutionalisiert und/oder durch die Einrichtung von (Bildungs-)Sprachbeauftragten an die Lernenden gegeben werden. Auch auf im Unterrichtsraum sichtbare Plakate zur Verwendung von Bildungssprache kann in der konkreten Situation verwiesen werden.

 

Sprachbewusste Unterrichtsplanung

Schon die Unterrichtsplanung kann Schülerinnen und Schüler im Fachunterricht gezielt an das Register Bildungssprache heranführen. Dies geschieht, indem der Unterricht sie zunächst bei ihren alltagssprachlichen, kontextgebundenen Äußerungen – also der „Sprache der Nähe“ (Koch/Österreicher) – abholt, z.B. indem die Unterrichtseinheit alltagssprachlich mit einem Schülerversuch beginnt. In weiteren Schritten erfolgen Arbeitsaufträge, die immer stärker bildungssprachlich ausgerichtet sind, wie z.B. die Präsentation der Gruppenergebnisse vor der Klasse und Verschriftlichung der Ergebnisse. Dazu erhalten die Schülerinnen und Schüler sprachliche Unterstützung, z.B. durch Redemittel und Textbausteine (siehe z.B. Tool 19 - Strukturierte sprechen - Scaffoding mündlicher Texte, oder Tool 30 - Schreiben unterstützen 1 - Scaffolding durch Methodenwerkzeuge und Textgerüste). Sie nähern sich damit der „Sprache der Distanz“ (Koch/Österreicher) an und erweitern somit ihr sprachliches Repertoire.

Ziel ist, dass die Schülerinnen und Schüler zunehmend über language awareness, also Sprachbewusstheit verfügen, um eine nicht angemessen bildungssprachliche Äußerung als solche wahrnehmen, auf der Metaebene darüber sprechen und sie dann auch verbessern zu können.

 

Methode

Möglicher Impuls/ Arbeitsauftrag

Didaktische Hinweise

Als Lehrkraft Registerunterschiede thematisieren

„Im Alltag sagt man…, aber in der Sprache der Physik/Mathematik/Geographie heißt es…“.

Wird ein Tafelbild mit Fachbegriffen erstellt, so können die Alltagsbezeichnungen in Denkblasen[1] zusätzlich notiert werden.

Ein solches Vorgehen fördert die Verstehensleistung, da es an die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler anknüpft, und schärft gleichzeitig das Bewusstsein dafür, dass Sprachverwendung vom jeweiligen Kontext abhängt.

 

Dazu gehört auch, als Lehrkraft  eigene alltagssprachliche Aussagen zu bemerken, zu thematisieren und demonstrativ neu zu formulieren.

Als Lehrkraft Fach- und Bildungssprache bewusst verwenden

„In diesem Experiment versuchen wir unsere eingangs aufgestellte Hypothese, dass...,  zu überprüfen….“

Lehrkraft als sprachliches Vorbild:

Alle Handlungen, wie z.B. Experimente, die die Lehrkraft vorführt, sollten immer sprachlich begleitet werden, sodass die Schülerinnen und Schüler am Modell lernen können. Besonders in solchen Modell-Situationen sollte die Lehrkraft in ganzen Sätzen und mit einer schriftsprachlichen Wortwahl  sprechen.

Hilfreich und modellhaft sind auch demonstrative Selbstkorrekturen der Lehrkraft bei (bewusster) Benutzung zu alltagssprachlicher Formulierungen.

Register von Schülerinnen und Schülern unterscheiden lassen

Untersucht den folgenden Text und unterstreicht alle umgangssprachlichen Ausdrücke, die nicht in einen Bericht/eine Versuchsbeschreibung/… passen.

Oder:

Untersucht den folgenden Text und unterstreicht alle fachsprachlichen Ausdrücke und Wendungen, die in der Alltagssprache nicht vorkommen.

Die Untersuchung von Beispieltexten kann das Sprachbewusstsein erhöhen und als Vorbereitung zur eigenen Textproduktion dienen. Dabei können sowohl fehlerhafte Texte als auch Modelltexte (siehe auch Tool 29 - Schreibstrategien trainieren III: Genredidaktik- nach Modelltexten fachspezifisch schreiben) gewinnbringend verwendet werden.

 

 

Registerunterschiede produktiv anwenden lassen

Physik: Erklärt die Funktionsweise des Otto-Motors so, dass auch euer kleiner Bruder es verstehen würde.
 

Biologie: Versetzt euch in ein Blutplättchen und beschreibt in Ich-Form einen Erlebnisbericht über eure spannende Reise mit dem Blutkreislauf durch den Körper.
 

Geschichte: Wandelt den Sachtext über die Französische Revolution in ein Streitgespräch um.

Die Umwandlung in eine andere Darstellungsform erfordert eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Inhalten, wirkt motivierend, spricht verschiedene Lerntypen und u.U. Lernkanäle an und vertieft dadurch das Verständnis. Gleichzeitig üben die Schülerinnen und Schüler den situationsadäquaten Gebrauch unterschiedlicher Register.

Verwendung von Bildungs- und Fachsprache einfordern

Achtet darauf:

Beim Experimentieren könnt ihr euch in der Alltagssprache austauschen.

Wenn ihr eure Ergebnisse vortragt, verwendet ihr bitte die Fachsprache. Nutzt dazu die Wortliste/das Plakat.“

Wichtig ist es, dass die Schülerinnen und Schüler zur Bildungssprache hingeführt werden. Das bedeutet, dass alltagssprachliche Ausdrücke im Austausch untereinander akzeptiert werden und für Präsentationen sprachliche Hilfen bereitgestellt werden.

 

Literatur:

  • Budde, Monika, Über Sprache reflektieren. Unterricht in sprachheterogenen Lerngruppen, Kassel 2012, hier online
  • Engin, Havva: Language Awareness, Beispiele und Materialien für den Interkulturellen Sprachunterricht. In: Lernchancen. H. 66 (2008), S. 22–25.
  • Glab, Theresa, Language Awareness, Erläuterungen zum Bedeutungsumfang des Begriffes im Kontext sprach-sensiblen Arbeitens, München/Eichstätt-Ingolstadt 2020, hier online
  • Gogolin, Ingrid: Erziehungsziel Mehrsprachigkeit. In: Erziehungsziel Mehrsprachigkeit. Diagnose von Sprachentwicklung und Förderung von Deutsch als Zweitsprache. Hg. von Charlotte Röhner. 2. Aufl., Weinheim 2008, S. 13–24.
  • Gürsoy, Erkan, Language Awareness und Mehrsprachigkeit, Duisburg/Essen 2008, hier online
  • Luchtenberg, Sigrid: Language Awareness, In: Deutsch als Zweitsprache. Hg. von Bernt Ahrenholz / Ingelore Oomen-Welke, 2., korr. und überarb. Aufl., Baltmannsweiler 2008, S. 107–117.
  • Tajmel, Tanja/Hägi-Mead, Sara, Sprachbewusste Unterrichtsplanung, Münster 2017

 

Links:

 

 

 


[1] Siehe hierzu dass sehr anschauliche Methodenwerkzeug nach Leisen „Sprech- und Denkblasen“, siehe Leisen, Josef, Handbuch Sprachförderung im Fach, Stuttgart 2013, S. 16+17