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Tool 29: Schreibstrategien trainieren III: Genredidaktik – nach Modelltexten fachspezifisch schreiben

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Bild: SenBJF

Eine besondere Form des prozess- und produktorientierten Trainings von Schreibstrategien (neben dem Schreibstrategietraining von Graham/Harris, siehe Tool 28), die von den für das jeweilige Fach bedeutsamen, typischen Textsorten ausgeht, ist die Genredidaktik mit ihrem Lehr- und Lernzyklus:

 

Die Genredidaktik ist eine mittlerweile weltweit verbreitete Methode für die Entwicklung insbesondere der Schreib-, aber auch der Lesekompetenz im Unterricht aller Fächer.

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Fortsetzung Schreiben29

Sie wurde in den 1980er-Jahren in Australien von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der sogenannten „Sydney School“ unter Bezug auf den Sprachsoziologen Basil Bernstein und den Entwicklungspsychologen Leo Wygotzki als Lehr- und Lernzyklus konzipiert, der die Schülerinnen und Schüler auf das selbständige Verfassen fachspezifischer Textsorten vorbereitet.[1]

 

Im Sinne der Sprachbildung geht es hier um eine Heranführung an die bildungssprachlichen Anforderungen der Textsorte, da das Wissen darum, wie z.B. ein naturwissenschaftliches Versuchsprotokoll geschrieben wird, nicht vorausgesetzt werden kann, sondern die Vermittlung dieser Kompetenz eine Aufgabe der Schule darstellt. Eine solche Heranführung ist für alle Schülerinnen und Schüler wichtig; besonders für Schülerinnen und Schüler nach dem Übergang von der Willkommens- in die Regelklasse ist sie sogar eine Voraussetzung für Teilhabe am Unterricht und für Bildungserfolg.

 

Das methodische Vorgehen der Genredidaktik besteht aus fünf Schritten und basiert auf von der Lehrkraft verfassten (oder anderweitig vorhandenen) prototypischen Modelltexten zu einem fachspezifischen Genre – wie z.B. Versuchsprotokoll, mathematische Textaufgabe, Inhaltsangabe oder historische Quellenanalyse – die von den Schülerinnen und Schülern zunächst genau untersucht und dann als Ausgangspunkt für eigene Texte genutzt werden. Erkan Gürsoy (2018) hat eine kurze und leicht handhabbare Anleitung für Lehrkräfte verfasst, die die Genredidaktik in ihrem Unterricht einsetzen möchten.

 

Der Lehr- und Lernzyklus der Genredidaktik [2]

Phase

Beispiel

Didaktische Hinweise

 1. Kontext modellieren

 Ihr seid Chemiker und habt eine

 bahnbrechendes Experiment über Salze

 gemacht. Erklärt, warum jetzt ein genaue

 Versuchsbeschreibung erstellt werden muss.

 

 Die Phase enthält u.a. zur Motivation einen kreativen

 Unterrichtseinstieg; Dabei wird zudem das Vorwissen

 zum Thema und zur Textsorte und deren Wortschatz

 aktiviert.

 Geklärt werden Fragen wie: Wer schreibt für wen wie

 und warum?

 2. Text modellieren

 

 Ich zeige Euch einmal, wie so eine

 Versuchsbeschreibung aussieht. Gebt jedem der

 Abschnitte eine Überschrift und erklärt seine

 Funktion für den Text.

  Markiert außerdem typische Formulierungen,

 die man auch in anderen

 Versuchsbeschreibungen verwenden könnte.

 

 

 Die Schülerinnen und Schüler erhalten einen von der

 Lehrkraft konzipierten Modelltext (z.B. eine einfach

 mathematische Textaufgabe, eine historische

 Quellenanalyse…), der klar und übersichtlich

 aufgebaut ist. Jeder Abschnitt ist grafisch

 unterscheidbar, z.B. durch Absätze oder eine andere

 Farbe, sodass der Textaufbau sichtbar wird.

 Zusätzlich erfolgt  zu jedem Abschnitt eine kurze

 Erläuterung zum Zweck des Abschnitts (z.B. muss

 vor der Beschreibung des eigentlichen Versuchs   

 genau aufgezählt werden, was man alles dafür

 braucht). Gerade für die fachlichen Aspekte ist hier

 ggf. viel Input durch die Lehrkraft notwendig.

 3. Gemeinsame

 Rekonstruktion

 

 Bringt die zerschnittenen Teile des (neuen)

 Textes in die richtige Reihenfolge.

 

 Ergänzt in dem vorliegenden Text die fehlenden

 Abschnitte/ Füllt die Lücken in dem Text.

 

 In dieser Übergangsphase zum eigenständigen

 Schreiben werden die Textteile in ihrer Funktion

 rekonstruiert, also z.B. ein(neuer) Text

 zusammengesetzt, aber auch andere Formen wie ein

 Rollenspiel oder eine Zeichnung sind möglich.

 4. Selbstständiges

 Schreiben

 

  Verfasst nun selbst eine Versuchsbeschreibung

 zu dem Versuch aus unserer letzten 

 Unterrichtsstunde.

 Nach dieser Vorbereitung sind die Schülerinnen und

 Schüler in der Lage, selbständig Texte nach dem

 besprochenen und geübten Schema zu verfassen.

 Zur Unterstützung kann eine Checkliste zur

 Verfügung gestellt werden und die Texte können

 überarbeitet werden (siehe Tool 27 – „Schreiben als

 Prozess). Alternativ kann auch ein Gerüst für den

 gesamten Text mit Hilfen gegeben werden (siehe Tool 30 – Scaffolding beim Schreiben).

 

 5. Bezug nehmen zu

 anderen Texten und 

 Textsorten

  Verfasst eine Versuchsbeschreibung für das

 Experiment, das Ihr gerade in Biologie zur

 Photosynthese gemacht habt.

 In der Transferphase geht es darum, das Wissen

 über diese Textsorte auf andere Themen zu

 übertragen, z.B. auf ähnlich aufgebaute

 Textaufgaben zu anderen Rechenoperationen,

 Analyse einer anderen historischen Quelle usw.

 

 

 

Ein weiteres Beispiel für die Umsetzung dieses genredidaktischen Lehr-Lernzyklus' stammt aus dem GeWi-Unterricht an der Berliner Ernst-Reuter-Schule (Quelle: SenBJF/Thierkopf):

 

 

 

 

 

 

Literatur/Links:

 

 

 


[1] Siehe dazu: David Rose, J.R. Martin: Learing to write, reading to learn. Bristol 2012

[2] Siehe dazu: Erkan Gürsoy: Genredidaktik.
Ein Modell zum generischen Lernen in allen Fächern mit besonderem Fokus auf Unterrichtsplanung, Duisburg/Essen 2018