Ursprünglich wurde die Lernszenariendidaktik von Piepho für den Fremdsprachenunterricht entwickelt und von Hölscher für die Textarbeit in allen Fächern adaptiert[1]. Sie eignet sich besonders zur Individualisierung des Unterrichts in heterogenen Gruppen.
Die schon in Tool 10 vorgeschlagene Umarbeitung eines gelesenen Texts in andere Darstellungsformen macht sich das bei Schülerinnen und Schülern sehr beliebte Setting des Leseszenariums zunutze und fügt durch eigene Auswahl der Aufgabenstellung noch den Aspekt der Differenzierung hinzu. Der Spaß bei der Bearbeitung rechtfertigt als Brücke in den Text gerade bei fachlich bedeutsamen Texten den größeren zeitlichen Aufwand von etwa vier Unterrichtsstunden Gesamtdauer (von der Aufgabenauswahl bis zur Präsentation der Ergebnisse).
Dafür wählen die Schülerinnen und Schüler aus einer gegebenen Auswahl an Arbeitsaufträgen einen aus und bearbeiten ihn. Die Aufträge decken die unterschiedlichen Bereiche der möglichen Aktivitäten vor, während und nach dem Lesen ab.
Zum Leseszenarium existiert auf den Seiten des Bildungsservers Berlin-Brandenburg eine Anleitung, der der folgende typische Ablauf entnommen ist.
Ablauf[2]
1. Aufgabe und Sozialform auswählen
Die Schülerinnen und Schüler wählen entsprechend ihrem Interesse, ihrem Vorwissen und
ihrer Kompetenz eine Aufgabenstellung aus. Außerdem entscheiden sie, ob sie allein, mit
einem Partner oder in einer Gruppe arbeiten möchten. Die Aufgabenstellungen werden z.B.
auf Karten an der Tafel präsentiert (siehe Kopiervorlagen). Petra Hölscher empfiehlt, den zu
erarbeitenden Text erst nach dem Auswählen der Aufgabe auszuteilen. Ihr ist es wichtig,
dass die Schülerinnen und Schüler die Aufgabe unabhängig vom Text auswählen.
2. Aufgabenstellung bearbeiten
Die Schülerinnen und Schüler lesen den Text, bearbeiten die Aufgaben selbstständig und
bereiten die Präsentation ihrer Arbeitsergebnisse vor. In Lerngruppen, die die
Aufgabenstellungen noch nicht kennen, empfiehlt es sich zu jeder Aufgabe einen
Arbeitsbogen mit Hinweisen zur Bearbeitung bereitzustellen (siehe Kopiervorlagen,
entstanden im ProLesen-Pilotprojekt).
3. Präsentation
Abschließend werden alle Arbeitsergebnisse präsentiert. Durch die verschiedenen
Darstellungsformen werden zentrale Inhalte und wichtige Fachbegriffe mehrfach wiederholt
und prägen sich besonders gut ein. Außerdem finden die unterschiedlichen Lernkanäle der
Schülerinnen und Schüler Berücksichtigung.
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Die folgende Liste möglicher Aufgabenstellungen erhebt selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit und bedarf der Anpassung je nach Alter und Kompetenzstand der Schülerinnen und Schüler.Die Lehrkraft hat auch die Möglichkeit, für einzelne Aufgaben die zu verwendende Sozialform und ggf. die maximale Personenzahl festzulegen.
Damit ein Arbeitsauftrag nicht von zu vielen Schülerinnen oder Schülern bearbeitet wird, empfiehlt es sich die Arbeitsaufträge auf laminierten Blättern im Klassenraum aufzuhängen, die sich die Schülerinnen und Schüler dann holen müssen. Dabei ist erfahrungsgemäß je nach Alter und Temperament der Klasse zu regulieren, dass es keine Konflikte um die beliebtesten Arbeitsaufträge gibt.
Mögliche Arbeitsaufträge zur Auswahl durch die Lernenden
Verfasst zur Überschrift einen passenden Text!
Wähle dir dazu eine bestimmte Textsorte aus.
Mögliche Textsorten: Fabel, Märchen, Gedicht...
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Schreibt eine Vorgeschichte zum Text!
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Verfasst einen Tagebucheintrag!
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Verfasst ein Interview mit
einer Person des Textes!
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Erstellt zehn Quizfragen zum Text!
Formuliert leichte, mittelschwere und schwere Quizfragen
Führt anschließend eine Art Quizshow mit der Klasse durch.
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Verfasst einen Steckbrief zum Text!
Man kennt den Steckbrief aus Westernfilmen. Die Person oder der Gegenstand im Text wird gesucht. Ihr beschreibt, woran man erkennen kann, dass man diese Person oder den Gegenstand vor sich hat.
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Verfasst eine Richtig-Falsch- Übung zum Text! (mindestens 10 Sätze)
Überlegt euch, wie ihr diese Fragen präsentiert, denn wenn ihr die Fragen der Klasse stellt und alle die Lösung hineinrufen, dann entsteht nur Chaos.
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Schreibt ein Gedicht zum Text!
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Schreibt einen Zeitungsartikel zum Text!
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Zeichnet einen Comic zum Text!
Teilt euch die einzelnen Bilder in der Gruppe auf,
sodass jedes Gruppenmitglied ein Bild des Comics zeichnet!
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Verfasst einen Text,
der gegen die Auffassung des Autors/der Autorin gerichtet ist.
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Schreibt einen Leserbrief!
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Verfasst einen Lexikonartikel zum Textinhalt
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Umschreibt wichtige Begriffe im Text, sodass die anderen sie erraten können!
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Verfasst eine Zusammenfassung, die fünf falsche Informationen enthält.
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Weitere Arbeitsaufträge und Arbeitsblätter mit Hinweisen zu den Aufgabenstellungen befinden sich auch in Form von Kopiervorlagen auf der angegebenen Seite des Bildungsservers Berlin-Brandenburg[3]. Mithilfe von LearningApps[4] oder Etherpads[5] kann ein Leseszenarium auch sehr gut digital durchgeführt werden.
Literatur:
- Berg, Christl et al., Lernen statt Lehren: So gelingt Deutsch lernen, Braunschweig 2017
Links:
[1] Petra Hölscher (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung): Lernszenarien. Die neue Philosophie des Sprachlernens. Finken Verlag 2006
[2] https://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/leseszenarium/
[3] https://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/leseszenarium/
[4] https://learningapps.org
[5] z.B. https://zumpad.zum.de/ oder das vom LISUM entwickelte https://bbb3.bsbb.eu/