-

Kompetenzbereich Sprachbewusstheit - Einleitung

Alt Text eingeben
Bild: SenBJF

Sprachbewusstheit zeigt sich u.a. in der Fähigkeit, unterschiedliche sprachliche Register und Varietäten zu verstehen und situationsangemessen nutzen zu können – so wird derselbe Sachverhalt in einem Gespräch anders ausgedrückt als in einem Vortrag, in einer Kurznachricht anders als in einem Lexikonartikel. Koch/Österreicher (2010) unterscheiden eine „Sprache der Nähe“, die konzeptionell mündlich, und eine „Sprache der Distanz“, die konzeptionell schriftsprachlich ausgerichtet ist.  

 

Durchgängige Sprachbildung im Unterricht aller Fächer übernimmt dabei eine Schlüsselfunktion für alle Kinder und Jugendlichen, deren

Umfeld sie nicht in hinreichendem Maße an Bildungssprache heranführt. Das gilt in besonderem Maße auch für die neu zugewanderten Kinder und Jugendlichen, die von den Willkommensklassen in die Regelklassen überwechseln.

Unterricht muss daher, wenn er sprachbewusst sein soll, permanent Registerunterschiede reflektieren.

 

In den Tools 44+45 werden daher grundsätzliche Vorschläge zum Training der Language Awareness und des Umgangs mit mündlichen Fehlern vorgestellt.

Für den schulischen Erfolg ist zudem entscheidend, dass Kinder und Jugendliche nicht nur Alltagskommunikation, sondern auch die deutsche Bildungssprache sicher beherrschen – aber dabei gleichzeitig ihre Kompetenzen in weiteren Sprachen oder Dialekten wertschätzend in den Unterricht einbezogen werden.

Im Sinne der angelsächsischen Konzepte der Language Awareness geht es zum einen darum, im Unterricht die individuelle äußere Mehrsprachigkeit der Schülerinnen und Schüler zu berücksichtigen, die sich in der Kenntnis und dem Erwerb mehrerer Sprachen zeigt. Zum anderen sollte der Unterricht aber auch für die innere Mehrsprachigkeit des Deutschen in Form unterschiedlicher sprachlicher Varianten und Ebenen sensibilisieren und den situationsangemessenen Gebrauch unterschiedlicher Register üben.

Ziel ist es, dass die Schülerinnen und Schüler verschiedene sprachliche Ebenen des Deutschen verstehen, bewusst unterscheiden und gezielt sowie differenziert aktiv anwenden können. Dabei unterstützen die Bewusstmachung und Nutzung von Wortbildungsmustern und von Mehrsprachigkeit als Ressource das große Ziel der Hinführung zur Bildungssprache, deren Beherrschung laut Basiscurriculum in der Schule in allen Fächern von den Schülerinnen und Schüler gefördert und gefordert werden soll. Diese und andere  Möglichkeiten zur Förderung und Einbeziehung der Mehrsprachigkeit werden in den Tools 46 und 47 vorgestellt. 

 

In allen Bereichen der Sprachbildung hat der Ausbau des bildungssprachlichen Wortschatzes eine Schlüsselfunktion. Wer zu wenige Wörter eines Textes versteht, verliert das Textverständnis und erlebt Frustration. Wem die Worte fehlen, um seine Gedanken mündlich oder schriftlich auszudrücken, ebenfalls. Da Wortschatzlernen niemals aufhört, sind Thematisierung, Reflexion und Übungen zum Wortschatz auch in der Oberstufe sinnvoll.

 

Ausgehend von neurowissenschaftlichen Erkenntnissen[1] werden deshalb in den Tools 48-53 die Konsequenzen für die Wortschatzarbeit in der Praxis dargestellt. Die Struktur folgt dabei den vier Phasen des Wortschatzerwerbs nach Nodari/Steinmann[2].

 

Bezug zum Basiscurriculum Sprachbildung

Im Basiscurriculum Sprachbildung werden drei Bereiche der Sprachbewusstheit genannt, die für alle Fächer eine Bedeutung besitzen: Die Schülerinnen und Schüler sollen „Alltags- und Bildungs- und Fachsprache (…) unterscheiden“,  „situationsgemäß anwenden (…) und nutzen“ ,„Wortbildungsmuster nutzen“ und „Mehrsprachigkeit nutzen“.

 

 

Literatur:

  • Dirim, Inci/Oomen-Welke, Ingelore, Mehrsprachigkeit in der Klasse: wahrnehmen – aufgreifen- fördern, Stuttgart (Klett) 2013
  • Krifka et al, Das mehrsprachige Klassenzimmer,  2014
  • Schader, Basil, Sprachenvielfalt als Chance, Zürich 2012
  • Tracy, Rosemary / Gawlitzek, Ira, Mehrsprachigkeit und Spracherwerb, Narr Francke Attempto, 2023
  • Nodari, Claudio/Neugebauer, Claudia, Förderung der Schulsprache in allen Fächern, Bern 2012, S.89-120
  • Nodari, C./Steinmann, C., Fachdingsda, Fächerorientierter Grundwortschatz für das 5.-9. Schuljahr, Buchs: Lehrmittelverlag des Kantons Aargau, 2008
  • Ulrich, Winfried, Wissenschaftliche Grundlagen der Grundlagen im Fachunterricht, in: Sprachsensibler Fachunterricht, Handreichung zur Wortschatzarbeit in den Jahrgangsstufen 5-10 unter besonderer Berücksichtigung der Fachsprachen, LISUM Berlin-Brandenburg, Ludwigsfelde-Struveshof 2011 – hier online
  • ¨Wilfried Ulrich: Wörter, Wörter, Wörter – Wortschatzarbeit im muttersprachlichen Deutschunterricht, Hohengehren 2010

 

Links:

 


[1] Einen guten Überblick über die neurolinguistische Forschung zur Wortschatzverarbeitung bieten Niebuhr-Siebert/Baake. Niebuhr-Siebert/Baake (2014), S. 46f

[2] Nodari, C./Steinmann, C., Fachdingsda, Fächerorientierter Grundwortschatz für das 5.-9. Schuljahr, Buchs: Lehrmittelverlag des Kantons Aargau, 2008 Eine weitere Möglichkeit ist der wortschatzdidaktische Dreischritt nach Kühn (2000): Kühn, P., Wortschatzarbeit in der Diskussion, Hildesheim: Georg Olms 2000, S. 5-28