Die komplexeren Stufen „erklären“ und „einen Vortrag halten“ erreichen Menschen aber nur, wenn bereits Kenntnisse in den beiden vorangegangenen Stufen erworben wurden – ein Grund mehr, das Erzählen und Erklären auch in mündlichen Texten stärker bewusst zu trainieren, denn vom „Plaudern“ kommt man nicht auf direktem Weg zum monologischen, komplexen Sprechen. Und Schülerinnen und Schüler, die zusätzlich zu den fachlichen Inhalten diese sprachlichen Herausforderungen meistern müssen, stehen vor einer doppelten Herausforderung.
Je monologischer eine Sprachhandlung ist, desto weniger sind die besprochenen Inhalte konkret präsent und desto präziser und selbsterklärender muss die Sprache sein. Darüber hinaus müssen die Lernenden ihr Repertoire an Textformen und das Wissen über deren Regeln beständig erweitern.
Jede sprachliche Äußerung von Lernenden beinhaltet die Möglichkeit, sich verschiedener Register zu bedienen. Im Umkehrschluss bietet also jede mündliche Äußerung der Lernenden dem Lehrenden sowohl die Gelegenheit zur Diagnose als auch zur Hinführung auf das Register Bildungssprache.
Damit Bildungssprache möglichst oft zur Anwendung kommt, müssen entsprechend viele Sprechanlässe geschaffen werden. Schon im Projekt FörMig und der damit zusammenhängenden Erarbeitung von ersten Qualitätsmerkmalen erfolgreicher Sprachbildung wird dem sprachintensiven Unterricht[2] ein Qualitätsmerkmal (von sechs) gewidmet: „Die Lehrkräfte schaffen ein Unterrichtsklima, in dem sich die Schülerinnen und Schüler als fähige Sprachlernende, als kompetent im Sprechen […] erfahren können.[3] Zusätzlich hat die Berliner Schulinspektion in über 28000 Unterrichtsbeobachtungen herausgefunden, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen einem hohen Redeanteil der Schülerinnen und Schüler und einem problemorientierten Vorgehen im Unterricht gibt.
Dazu braucht es authentische Anlässe, die die Schüler zum ernsthaften Sprechen motivieren. Lehrkräfte unterstützen dies durch die Schaffung von Rede-Situationen, die für die Schülerinnen und Schüler ausreichend bedeutsam sind, um über sie sprechen zu wollen. Dafür geeignet sind vor allem problemorientierte Aufgabenstellungen, die automatisch Sprechmotivation auslösen und auch oft komplexe Sprachhandlungen verlangen.
Das Sprechen und dessen Training in der Schule münden letztendlich in den wichtigen Bereich der Abschlussprüfungen, in denen sowohl im MSA als auch im Abitur Präsentationsprüfungen fester Bestandteil sind. Gerade dadurch wird einerseits die besondere Relevanz eines gezielten Sprechtrainings offensichtlich, andererseits auch die des Umgehens mit Sprechangst beim Sprechen im Unterricht und vor Gruppen[4].
Literatur:
- Neugebauer, Claudia /Nodari, Claudio, Förderung der Schulsprache in allen Fächern, Bern 2012, S.33f
- Klippert, Heinz, Kommunikationstraining, Weinheim 2018, S. 134
- Handke, Ulrike, Mehr Erfolg im Unterricht, Braunschweig 2016
- Gogolin, Ingrid, Durchgängige Sprachbildung, Qualitätsmerkmale für den Unterricht, Münster. 2011
[1] Vgl. dazu das Textkompetenzmodell von Portmann-Tselikas/Nodari in Neugebauer/Nodari (2012), S. 62
[2] Gogolin, Lange et al., Durchgängige Sprachbildung, Qualitätsmerkmale für den Unterricht, Waxmann 2011, S. 22f.
[3] Ebd., S. 22
[4] Hierzu hat Klippert zahlreiche Anregungen: Klippert, Heinz, Kommunikationstraining, Übungsbausteine für den Unterricht Weinheim und Basel 201814, S. 160 f