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Tool 28: Schreibstrategien trainieren II: Schreibstrategietraining nach Graham/Harris und PIRSCH+

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Bild: SenBJF

Zusätzlich zur Orientierung am Schreibprozess spielt die erfolgreiche Anwendung von produkt- und prozessorientierten Schreibstrategien eine entscheidende Rolle für die anforderungsgemäße Bewältigung von schulischen Schreibaufgaben. Während erfahrene schreibkompetente Personen diese oft unbewusst anwenden und deshalb mit prozessorientiertem Vorgehen gut zurechtkommen, brauchen weniger schreibgeübte Lernende mit oft negativen Vorerfahrungen beim Schreiben zusätzliche Unterstützung. Diese erscheint natürlich umso sinnvoller für alle Lernenden, je komplexer, anspruchsvoller und fachspezifischer das erwartete Textformat ist. 

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Fortsetzung Schreiben28

Ein in vielen Studien als wirksam erwiesenes Schreibstrategietraining ist das Vorgehen von Graham/Harris (2005)[1], das aus sechs Phasen entlang des Schreibprozesses besteht, die die Lehrkraft bei der Planung des Unterrichts leiten. Ähnlich wie bei der Genredidaktik (siehe Tool 29) wird die Textsorte des zu schreibenden Texts in den Mittelpunkt gestellt. Denn die Beherrschung der für das Fach notwendigen Textmuster ist für den Erfolg des Unterrichts entscheidend.

 

Schreibstrategietraining nach Graham/Harris

Strategie

Erklärung

Beispiel

  1. Hintergrund-wissen

 Textmuster (Geschichte,

 Versuchsbeschreibung…) und

 Vokabular vorentlasten

 Wie ist ein Märchen aufgebaut?

 Was für Wörter braucht man für

 eine Personenbeschreibung?

  1. Diskutieren

 Nutzen, Anwendung und

 Bedeutung der neu zu

 erlernenden Strategie 

 verdeutlichen.

 Warum muss ein Versuchsprotokoll

 sehr präzise formuliert sein?

 Wann brauche ich Argumente im 

 Alltag? Warum ist es sinnvoll,

 einen Text noch einmal zu

 überarbeiten?

  1. Modellieren/ Demonstrieren

 Lehrkraft demonstriert die

 Bearbeitung einer 

 Schreibaufgabe und verbalisiert

 dabei alle Gedanken beim

 Schreiben laut (lautes Denken).

 „Wie fängt man eine Inhaltsangabe

 sinnvoll an? Ich muss im ersten

 Satz… nennen. Dafür verwende

 ich am besten den Mustersatz.

 Also schreibe ich…“

  1. Memorieren

 Lernende memorieren die

 einzelnen Schritte der Prozedur

 Bringe die zerschnittenen Teile des

 Merkblatts zu einer guten

 Bildanalyse in die richtige

 Reihenfolge.

  1. Unterstützen

 Je nach individuellem Stand der

 Lernenden: mehrfaches

 Modellieren,

 Strategiediskussion,

 gemeinsames Schreiben etc.

 Hierfür bietet sich ggf. auch die

 Methode des Dictogloss an (siehe

 Tool 12)

  1. Unabhängiges Üben

 Mehrfaches angeleitetes

 Anwenden mit steigender

 Verantwortung der Lernenden

 und Überarbeitung der Texte.

 Schreibe mithilfe des Merkblatts

 eine Quellenanalyse zu…

 

Auf den ersten Blick bemerkenswert ist  die 3. Phase des Modellierens/Demonstrierens, bei der die Lehrkraft die Bewältigung der Schreibaufgabe vormacht und dabei die strategischen Gedanken beim Vorgehen laut ausspricht. Dafür bedarf es natürlich entsprechender technischer und persönlicher Voraussetzungen, diese Methode wird  jedoch in der Forschung als am wirksamsten bezeichnet, da sie  sich darüber hinaus u.a. positiv auf das Strukturieren von Ideen, Setzen eines Schreibziels und das Zurückgreifen auf Planungsstrategien auswirkt[2]. Grund dafür ist, dass die Prozesse sichtbar gemacht werden, die sonst nur im Kopf verborgen ablaufen. Wenn die Lehrkraft sonst einen nicht anforderungskonformen Text eines Schülers oder einer Schülerin erhält, ist kaum noch herauszubekommen, an welcher Stelle der Textproduktion der Fehler gelegen hat. Durch die laute Verbalisierung und das Vormachen, das ja in anderen Feldern des Lernens vollkommen selbstverständlich ist, werden genau diese Prozesse und Strategien angebahnt.

 

Für diese Form der Demonstration eignen sich auch Erklärvideos sehr gut, weil sie, wenn sie einmal erstellt wurden, jederzeit und an jedem Ort aufgerufen werden (beim Anschauen zuhause auch ohne Beanspruchung von knapper Unterrichtszeit) und ggf. in kleineren Schritten abgespielt werden können. Zudem können solche Videos von Lehrkräften in Kooperation erstellt und ressourcenschonend weitergegeben werden. Als Software für die Erstellung eignen sich Bildschirmaufnahmeprogramme (Screencast), z.B. die freie und auch professionell im Internet genutzte Software OBS Studio. Aber auch Videokonferenztools und  Bildschirmpräsentationsprogramme wie PowerPoint beinhalten diese Funktion der Videoaufnahme. Wer in seinem Video „analog“ die schreibende Hand im Bild haben möchte, kann natürlich auch ein Video mit dem Handy aufnehmen, das oberhalb der der schreibenden Hand positioniert wird (Tipp: Dafür empfiehlt sich ein Pfannenwender, der zwischen einen Bücherstapel geklemmt wird).

 

PIRSCH+

Auf der Basis des Schreibstrategietrainings von Graham/Harris haben Sturm/Weder eine für alle Fächer und Textsorten anwendbare und einfache Schrittabfolge aus der Perspektive der Schülerinnen und Schüler erstellt und PIRSCH+ (Planen – Ideen sammeln – Reihenfolge festlegen – Schreiben+Überprüfen) genannt.

Mit PIRSCH+ haben die Schreibenden ein Ablaufschema zur Hand, das sie auf nahezu jeden Text anwenden können. Wenn Schreibende diese Abfolge häufig und möglichst in verschiedenen Fächern einüben, wird sie internalisiert und die Schreibenden realisieren sie zunehmend eigenständig.

 

 

 PIRSCH + (textsortenübergreifend)[3]

 Ziel: Schreibziel klären, Inhalte generieren und organisieren sowie verschriften, die

 die Zielerreichung überprüfen.

- P:

 Welchen Text möchtest Du schreiben und was willst Du mit ihm erreichen? 

 Wie willst Du das Ziel erreichen?

- I:

 Ideen notieren und auswählen: Sammle Ideen zu Deinem Text. Schreibe

 keine ganzen Sätze, sondern nur Stichwörter auf. Wähle die Ideen so aus, 

 dass sie zu Deinem Ziel in P passen.

-R:

 Reihenfolge festlegen: Lege die Reihenfolge der Ideen fest. Achte dabei auf

 den Aufbau, wie er für Deinen Text typisch ist. Überlege, ob die Reihenfolge

 stimmt. Ändere oder ergänze, wenn dies nötig ist.

-SCH:

 Schreiben: Schreib die ausgewählten Ideen in der festgelegten Reihenfolge

 auf. Sage dabei mehr. Baue die Stichwörter zu Sätzen aus. Manchmal lohnt

 es sich, ein Stichwort in mehrere Sätze auszuformulieren.  

- +

 Prüfe, ob der Aufbau Deines Textes stimmt. Prüfe, ob Du alle ausgewählten

 Ideen verwendet hast. Ergänze oder ändere Deinen Text, wenn nötig.

 

 

Literatur:

  • Schneider/Becker-Mrotzek et al (2013), Wirksamkeit von Sprachförderung
  • Philipp, Maik (Hrsg.),Handbuch Schriftspracherwerb und weiterführendes Lesen und Schreiben, Weinheim 2017
  • Sturm, Afra / Weder, Mirjam, Schreibkompetenz, Schreibmotivation, Schreibförderung, rundlagen und Modelle zum Schreiben als soziale Praxis, Hannover 2020

 

Links:

Bühler-Otten et al, Schreibkompetenzen trainieren von A1 bis B1, Unterrichtsmaterial für Deutsch als Zweitsprache in der Sekundarstufe I, LI Hamburg 2019

 

 


[1] Hier zitiert nach Schneider/Becker-Mrotzek et al (2013), S. 54

[2] Schneider/Becker-Mrotzeck et al (2013), S. 51

[3] Sturm/Weder,  (2016), S. 82, basierend auf Graham et al 1992, zitiert nach:  https://wiki.edu-ict.ch/_media/quims/fokusa/42_ms_pirsch_einfuehren_2014.pdf